Die Meinung von Soonim Shin
Das Bild ist in Wien gefunden worden. 1903 und 1904 nahm Hodler an einer Ausstellung der Wiener Secession teil, deren Mitglied er auch wurde. Wie Rico Bandle in einem Artikel schrieb, gelang Hodler in Wien der materielle Durchbruch: „Plötzlich“, so Bandle, seien die Sammler bereit gewesen, „fünfstellige Beträge für seine Gemälde zu bezahlen. 1904 hatte es der Künstler zum dreifachen Millionär gebracht.“ Nach dem großen Verkaufserfolg in Wien kann es also nicht überraschen, wenn Hodler-Bilder in Wien auftauchen.
Wäre es aber überhaupt möglich, dass ein Hodler-Bild bis heute der Öffentlichkeit unbekannt geblieben ist ? Hodler hat bestimmte „persönliche“ Bilder gerne vor der Öffentlichkeit versteckt. So schreibt Bandle, dass Hodler etwa das Bild einer Angebeteten, die er „Mademoiselle Lechaud“ nannte, nach dem Bruch der Beziehung versteckt gehalten habe, um diese in Hodlers Augen „peinliche“ Episode niemandem erzählen zu müssen.
Auch das neu gefundene Bild könnte als solch ein persönliches Bild der Öffentlichkeit verborgen geblieben sein: Am 1. Oktober 1887 gebar die Wäscherin Augustine Dupin Hodlers Sohn Hector. Hodler heiratete Augustine trotzdem nicht – stattdessen verehelichte er sich nur zwei Jahre später, am 18. Juli 1889, mit der Bürgertochter Bertha Stucki; diese Ehe wurde abermals zwei Jahre später wieder geschieden. Hodler erkannte Hector erst 1908 als seinen Sohn an, als dieser schon 21 Jahre alt war.
Nun die Frage: Könnte das Bild den Moment zeigen, in dem Hodler Vater wurde ? Auf dem Bild reicht ja eine junge Frau, die Augustine Dupin ähnlich sieht, ihr Kind einem Mann, der offenbar der Vater des Kindes ist; der Vater scheint aber zu zögern, das Kind auch anzunehmen. Der Mann auf dem Bild wiederum erinnert an Hodler selbst, wie er mit Mitte 30, als er Vater wurde, ausgesehen hat: Die Gestalt, die Gesichtszüge und nicht zuletzt die „Geheimratsecken“, also die an der Schläfe fehlenden Haare.
Link zum Ferdinand-Hodler-Artikel (mit einem Selbstporträt) bei Wikipedia
Link zu einer Seite mit Hodlers Bild „Die tote Augustine Dupin“
Stimmen der anderen
A) Antworten vom 18. März bis 7. April 2016 (nach dem Fund des ersten Hodler-Bildes „Mann, Frau und Kind“)
1) Paul Müller (Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft), 18. März 2016
Sehr geehrte Frau Soonim Shin,
Das Gemälde ist weder in unserem Archiv verzeichnet noch in den bisher erschienenen Bänden des Catalogue raisonné. Wir erteilen aus Prinzip keine Echtheitsauskünfte aufgrund von Fotos, möchten Ihnen aber dennoch mitteilen, dass sich eine kostenpflichtige Abklärung auf die Autorschaft von Ferdinand Hodler kaum lohnt.
Mit freundlichen Grüssen
Paul Müller
2) Dr. des. Iris Haist (Staatsgalerie Stuttgart), 18. März 2016
Sehr geehrte Frau Shin,
vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Interesse an unserem Museum.
Eine Ferndiagnose ist leider immer sehr schwierig. Aber so weit es auf dem Foto zu erkennen ist, würde ich eine Zuschreibung an Hodler eher in Zweifel ziehen. Das Motiv erinnert tatsächlich an ihn, auch die formale Gestaltung der Figuren. Aber die Farbigkeit und der Farbauftrag sowie die Pinselführung scheinen zu weich und zu wenig konturiert.
Wir haben hier jedoch keinen Hodler-Spezialisten und dürfen auch generell keine festen Zuschreibungen treffen. Versuchen Sie es doch einmal im Kunstmuseum in Bern. Die haben Hodler soweit ich weiß als Sammlungsschwerpunkt.Beste Grüße,
Iris HaistDr. des. Iris Haist
Wiss. Volontärin / Curatorial Assistant
Staatsgalerie Stuttgart
3) Dr. Matthias Frehner (Kunstmuseum Bern), 21. März 2016
Sehr geehrte Frau Shin
Ich gebe keine Expertisen ab. – Meiner Meinung nach handelt es sich bei Ihrem Gemälde nicht um ein Werk von Hodler, jedoch ist es möglicherweise von ihm beeinflusst. Haben Sie schon Koloman Moser in Betracht gezogen?
Allenfalls wenden Sie sich an das Institut für Kunstwissenschaft in Zürich (SIK), wo der Hodler-Oeuvre-Katalog herausgegeben wird.
Beste Grüsse Matthias Frehner
Direktor Sammlungen, Kunstmuseum Bern
4) Monica Mascus (Kunstmuseum Winterthur), 21. März 2016
Sehr geehrte Frau Soon-Im SHIN
Leider können wir Ihnen nicht weiterhelfen. Die offizielle Stelle ist das Schweizerische Institut für Kunstwissenschaft: http://www.sik-isea.ch/de-ch/
Am Besten wenden Sie sich mit Ihrem Anliegen dorthin. Dort wird auch der offizielle Werkkatalog von Hodler geführt. sik@sik-isea.chchk-isea.chik-isea.ch
Freundliche Grüsse
Monika Mascus
Administration
5) Nationalrat Jonas Fricker (Bundeshaus Bern), 21. März 2016
Sehr geehrte Frau Shin
Da ich mich mit Kunst nicht auskenne, kann ich Ihnen nicht behilflich sein. Ihre Enttäuschung auf die Antwort des SIK kann ich nachvollziehen. Allerdings scheint die Auskunft der SIK ehrlich zu sein. Vielleicht ist es das Beste, sich am Bild zu erfreuen, das Ihnen offensichtlich gefällt – Hodler hin oder her. Aber wie geschrieben, ich kenne mich betreffend Kunst nicht aus und betreffend Kunsthandel erst recht nicht.
Sonnige Grüsse
Jonas Fricker
Nationalrat
Mitglied der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK)
6) Christine Kobel (Kunstmuseum Solothurn), 22. März 2016
Sehr geehrte Frau Soonim Shin
Ich konnte gleich Herrn Dr. Vögele, Konservator des Kunstmuseums Solothurn, fragen.
Er sagt ganz klar, dass es sich um kein Ferdinand Hodler-Bild handelt. Der Maler stehe aber unter Einfluss von Ferdinand Hodler.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Angaben dienen zu können und grüsse Sie freundlich
Christine Kobel, Sekretariat
KUNSTMUSEUM SOLOTHURN
7) Monique Progin (Bundesamt für Kultur, Bern), 22. März 2016
Sehr geehrte Frau Soon-Im SHIN
Wir bedanken uns ganz herzlich für Ihr Anfrage. Leider müssen wir Ihnen aber mitteilen, dass wir vom Bundesamt für Kultur nicht die richtige Anlaufstelle für Ihr Anliegen sind. Aus unserer Sicht ist das SIK tatsächlich die beste Referenz in diesem Zusammenhang. Wir bedauern sehr, Ihnen keine bessere Lösung vorschlagen zu können. Für die weitere Recherche wünschen wir Ihnen viel Glück.
Mit freundlichen Grüssen
Monique Progin
Sachbearbeiterin
Stabsstelle Kommunikation
Eidgenössisches Departement des Innern EDI
Bundesamt für Kultur BAK
8) Silvia Orthwein-Erhard (Kunstmuseum Glarus), 23. März 2016
Guten Tag Soon-Im SHIN
Wir sind ein Kunstmuseum für Gegenwartskunst und machen keine Schätzungen.
Mit freundlichen Grüssen
Silvia Orthwein-Erhard
Administrative Leiterin
9) Brigitta Vogler-Zimmerli (Kunsthaus Aargau), 23. März 2016
Guten Tag
Aufgrund der Fotografie gehe ich davon aus, dass es sich hier nicht um ein Gemälde von Hodler handelt. Wenn Sie genauere Angaben erhalten möchten, empfehlen wir Ihnen, das Werk einem Auktionator zur Begutachtung zu übergeben.
Mit freundlichen Grüssen
Brigitta Vogler-Zimmerli
lic. phil. Brigitta Vogler-Zimmerli
Registrarin/Registrar
Wissenschaftliche Mitarbeiterin/Research Assistant
10) Petra Cordioli (Kunsthandlung Walter Feilchenfeldt, Zürich), 7. April 2016
Sehr geehrte Frau Soon-Im Shin
Da Herr Feilchenfeldt kein Experte für Hodler ist, rät er Ihnen sich an das SIK (Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft) in Zürich zu wenden.
Dort kann man Ihnen sicher weiterhelfen.
sik@sik-isea.ch
Mit freundlichen Grüssen
Petra Cordioli
B) Antworten seit dem 11. April 2016 (nach dem Fund der zwei weiteren Hodler-Bilder „Junge mit Geige“ und „Spitz“)
11) Zweite Antwort von Paul Müller (Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft), 11. April 2016
Sehr geehrte Frau Soon-Im SHIN
Dr. Fayet bzw. Frau Nägeli haben mir Ihre Anfragen weitergeleitet.
Ihre erste Anfrage habe ich am 18. März beantwortet. Sollten sie die Antwort nicht erhalten haben, kopiere ich sie hier nochmals:
„Das Gemälde ist weder in unserem Archiv verzeichnet noch in den bisher erschienenen Bänden des Catalogue raisonné. Wir erteilen aus Prinzip keine Echtheitsauskünfte aufgrund von Fotos, möchten Ihnen aber dennoch mitteilen, dass sich eine kostenpflichtige Abklärung (mindestens Fr. 1’100.— pro Werk) auf die Autorschaft von Ferdinand Hodler kaum lohnt.“
Dieselbe Antwort müssen wir Ihnen auf die heutige Anfrage zu zwei Werken geben, d. h. eine weitere Beschäftigung mit diesen Werken lohnt sich nicht, da weder Stil noch Bezeichnung etwas mit Hodler zu tun haben.Mit freundlichen Grüssen
Paul Müller, lic. phil.
Co-Leiter Catalogue raisonné
der Gemälde Ferdinand Hodlers
12) Antwort von Dr. Christoph Vögele (Kunstmuseum Solothurn), 15. April 2016
Sehr geehrte Frau Shin
Auch bei den Bildern, die Sie mir mit Ihren neuesten Mails zusenden, habe ich grosse Zweifel betr. einer Autorschaft Hodlers. Wenn Sie eine eigentliche Expertise wünschen, so wenden Sie sich bitte an das Schweizerische Institut für Kunstwissenschaft Zürich, das auch den Catalogue raisonné für Hodler herausgibt.
Mit besten Grüssen
Christoph Vögele
Dr. Christoph Vögele, Konservator
KUNSTMUSEUM SOLOTHURN
13) Antwort von Dr. Matthias Fischer (Kunsthistoriker, Zürich), 18. April 2016
Sehr geehrte Frau Shin,
gerne leite ich Ihnen die Antwort von Herrn Dr. Fischer zur Kenntnis weiter.
Mit freundlichen GrüssenJulia Knapp
Sehr geehrte Frau Knapp
Vielen Dank für die Zusendung der Fotos und der Anfrage. Da ich nicht mehr im Hodler-Werkkatalogprojekt arbeite, bin ich auch nicht wirklich der richtige Ansprechpartner. Es interessiert mich grundsätzlich, was die Leute so für einen Hodler halten, leider sind Originale doch sehr selten geworden. In diesem Fall möchte ich nicht weiter involviert sein. Die Dame kann sich an das SIK wenden, dort wird man Ihr eine Expertise geben.
Bitte haben Sie Verständnis für meine Antwort.Mit freundlichen Grüssen
Matthias Fischer
14) Antwort von Dr. Rudolf Koella (Kunsthistoriker, Zürich), 19. April 2016
Sehr geehrte Frau Shin
Wenden Sie sich doch an das Schweizerische Institut für Kunstwissenschaft in Zürich, das den Werkkatalog Hodler herausgibt.
Mit freundlichen Grüssen
Rudolf Koella
15) Antwort von Dr. Babett Forster (Leiterin der Kustodie an der Universität Jena, auch zuständig für Hodlers Monumentalgemälde „Auszug deutscher Studenten in den Freiheitskrieg“ in der Aula der Universität), 21. April 2016
Sehr geehrte Frau Soonim Shin,
vielen Dank für diese interessanten Hinweise – für meine ungeübten Augen finden sich tatsächlich starke Anklänge an Hodler in dem von Ihnen als Mutter, Vater Kind benannten Bild. Leider kann ich Ihnen aber auch keine Expertise zum Gegenstand geben.
Ich wünsche viel Erfolg bei der weiteren Recherche zum Objekt.
Mit freundlichen Grüßen,
Babett ForsterDr. Babett Forster
Leiterin der Kustodie
Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften
Seminar für Kunstgeschichte und Filmwissenschaft
16) Antwort von Prof. Dr. Reinhold Heller (Universität Chicago), 22. April 2016
Sehr geehrte Soon in SHIN,
Besten Dank für Ihre Fragen wegen den Gemälde die Sie erworben haben. Beide (das Spitz Bild haben Sie mir nicht geschickt) sind höchst interessante Bilder, aber leider kann auch ich Ihnen keine Expertise schreiben. Auch betrachte ich mich kaum als Hodler-Experte. Trotzdem würde ich nach meiner Meinung sagen, dass weder das Familien-Bild noch der Schulungen von Hodler gemalt sind, wenn auch das Familien=Bild den Einfluss von Hodler zeigt. Dabei scheint mir aber besonders die Haarfrisur der Frau nicht auf die 1880er Jahre, wie Sie annehmen, zu deuten, sondern viel eher auf die 1920er. Rein stilistische betrachtet könnte der Schuljunge aus der gleichen Zeit sein. Die Signatur auf dem Spitz-Bild, wovon ich sonst nichts gesehen habe, ist mir unlesbar. Die Marken geben Inventurnummern an, aber wo und wann und bei wem kann man daraus nicht erfahren.
Für Sie ist das sicher nicht die Nachricht die Sie sich wünschen. Sie sollten weiter nachforschen wer der Künstler sein mag.
Professor Reinhold Heller
The University of Chicago
17) Antwort von Prof. Dr. Peter Vignau-Wilberg (Kunsthistoriker, Fürstenfeldbruck), 25. April 2016
Sehr geehrte Frau Soonim Shin,
Ihre Anfrage hat mich erreicht. Es freut mich, dass Sie mein Buch über Den Tag zur Kenntnis genommen haben und studieren konnten. Was Ihre Frage betrifft: es ist generell nicht möglich, die Urheberschaft eines Gemäldes an Hand von Photographien mit Sicherheit zu bestimmen. Ich möchte also kein Urteil abgeben, ob das Bild mit den drei Figuren vor einer Landschaft von Hodler stammen könnte oder ob es von einem Hodler-Nachfolger gemalt wurde. Ich würde Ihnen raten, bei der zentralen Stelle für die Erforschung schweizerischer Kunst, das Schweizerische Institut für Kunstwissenschaft in Zürich, Zollikerstrasse 32, email: sik@sik-isea.ch nachzufragen, insbesondere bei dem langjährigen Mitarbeiter Dr. Paul Müller. Das SIK hat die umfassendste Dokumentation zum Werk von Hodler. Am besten wäre es sicher, wenn Sie nach Verabredung mit den Bildern dorthin fahren würden, so daß man ein Urteil nach den Originalen abgeben könnte.
In der Hoffnung, Ihnen mit dieser Auskunft geholfen zu haben,
mit besten Grüßen,Prof. Dr. Peter Vignau-Wilberg
18) Antwort von Christof Metzger (Chefkurator Albertina), 9. Mai 2016
Liebe Frau Shin,
ich kann Ihnen dazu gar nicht weiter helfen (da mir schlicht die Fachkompetenz zu Hodler fehlt). Ich habe mir aber erlaubt, Ihre Anfrage an einen Museumskollegen in Genf weiterzuleiten. Sie werden sicher bald von dort hören.
Herzlich
Christof Metzger
19) Antwort von Dr. Christian Rümelin (Conservateur en chef, Cabinet d’arts graphiques, Genf), 9. Mai 2016
Sehr geehrte Frau Shin
Mein Kollege Dr. Christof Metzger von der Albertina hat mich über Ihre Korrespondenz in Kenntnis gesetzt, als wir uns Ende letzter Woche in Wien getroffen hatten. Ich hatte ihm versprochen, mir Ihre Bilder anzuschauen und mit unserer umfangreichen Dokumentation abzugleichen. Auch ich bin an die gleichen Restriktionen gebunden wie meine Kollegen aus Solothurn und Bern, das heisst ich kann Ihnen ebenfalls keine Expertise erstellen, aber ich komme zum gleichen Schluss wie diese, dass definitif keines der Gemälde ein Hodler ist. Mit 153 Gemälden, rund 700 Zeichnungen und fast allen Skizzenbüchern (243 an der Zahl) verfügen wir über einen sehr grossen Bestand und viel Erfahrung in diesem Gebiet. Es mag für Sie enttäuschend sein, aber Hodler wurde relativ schnell bekannt und hatte zahlreiche Nachahmer. Wirkliche Schüler hatte er nicht, aber er war für seine Zeit stilprägend. Aus diesem Grund ist Ihre Einschätzung sehr gut nachvollziehbar.
Wir haben Vorzeichnungen zu Gemälden, die diesem Künstler möglicherweise als Anregung gedient haben, aber Raumdefinitiion, Farbigkeit und Duktus sind doch sehr, sehr weit von Hodler entfernt. Wir haben bereits einen grossen Teil unserer Sammlung online, ich möchte Sie also gerne einladen, hier mal zu schauen, um sich mit dem faszinierenden Werk Hodlers vertraut zu machen. Sie finden unsere Sammlung unter:
http://www.ville-ge.ch/musinfo/bd/mah/collections/result.php?type_search=simple&lang=fr&criteria=Ferdinand+Hodler&terms=all
Gerne stehe ich Ihnen für Rückfragen zur VerfügungChristian Rümelin

